Wenn Macron sich weigert, sich der Abstimmng des Volkes zu stellen, muss das Parlament ihn absetzen

Tribüne von Mathilde Panot, Manuel Bompard, Nadège Abomangoli, Manon Aubry, Eric Coquerel, Clémence Guetté, Marina Mesure und Jean-Luc Mélenchon, erschienen auf La Tribune Dimanche am 18. August 2024.

Emmanuel Macron soll kurz davor stehen, einen Regierungschef zu ernennen, ohne die politische Resultate der letzten Parlamentswahlen zu berücksichtigen, die er verloren hat, nachdem er zuvor die Europawahlen verloren hatte. Dies wäre eine beispiellose Entscheidung in der Welt der parlamentarischen Systeme und im System der repräsentativen Demokratie. Bereits in den europäischen Ländern innerhalb und außerhalb der Union hatte jeder seine Überraschung über den angeblichen politischen Waffenstillstand bei den Olympischen Spielen zum Ausdruck gebracht. Jeder hatte auch gesagt, wie seltsam es sei, dass der Präsident der Französischen Republik nicht nur das Ergebnis der Abstimmung, sondern auch Lucie Castets, die von der stärksten Koalition, der Nouveau Front Populaire, als Premierministerin vorgeschlagen wurde, mit einer Handbewegung vom Tisch wischte. Der von den Macronisten vorgebrachte Einwand ist bekannt: Niemand hat die absolute Mehrheit, also hat niemand gewonnen und niemand hat das Recht, die Führung einer neuen Regierung zu beanspruchen. Ein solches Argument hätte vielleicht Gehör gefunden, wenn Frankreich nicht bereits die Erfahrung des Gegenteils gemacht hätte. Denn das Land wurde nach den Parlamentswahlen 2022 ohne absolute Mehrheit regiert. Diesmal hatte der macronistische Innenminister unmittelbar nach der Auflösung behauptet, dass die stärkste Koalition auch bei einer relativen Mehrheit legitimiert wäre, zu regieren! Zweifellos hoffte er, die frühere Situation wiederherstellen zu können…

Unter diesen Umständen kann man die Entscheidung des Staatsoberhauptes als institutionellen Gewaltstreich gegen die Demokratie charakterisieren. Sie erfolgt nach einer langen, ungestraft gebliebenen Reihe von Entscheidungen, die eine autoritäre Entwicklung des Regimes markieren. Nun befinden wir uns in den Gewässern des « Illiberalismus », den die Macronisten dem Ungarn Victor Orban vorgeworfen hatten. Aber vielleicht glaubt der Staatschef, dass er in einer solchen Situation absolut frei von institutionellen Zwängen ist? Dies ist nicht der Fall. Es gibt Mittel, die es dem Parlament ermöglichen, einem solchen notorisch undemokratischen Machtmissbrauch ein Ende zu setzen. Es gibt natürlich den Misstrauensantrag, um die neue Regierung nach dem Wohlgefallen des Präsidenten sofort nach ihrer Vorstellung zu Fall zu bringen. Doch dabei darf es nicht bleiben. Die Ursache für diesen Machtmissbrauch muss benannt und bestraft werden. Es ist der Präsident der Republik selbst. Das Mittel für diese Maßnahme ist im derzeitigen institutionellen Rahmen vorhanden. Es handelt sich um Artikel 68 der Verfassung, in dem die Bedingungen für die Amtsenthebung des Staatsoberhaupts festgelegt sind. Er kann im Falle einer Pflichtverletzung, die offensichtlich mit der Ausübung seines Mandats unvereinbar ist, abgesetzt werden. Das Organgesetz, mit dem die praktischen Bestimmungen dieses Artikels eingeführt wurden, stellt klar, dass er nicht nur auf mögliche Gesetzesverstöße abzielt. Es ist die Versammlung und nur sie allein, die entscheidet, ob eine solche Situation vorliegt. Im vorliegenden Fall ist es offensichtlich, dass die Weigerung, eine Parlamentswahl zur Kenntnis zu nehmen, und die Entscheidung, sich darüber hinwegzusetzen, einen verwerflichen Verstoß gegen die elementaren Anforderungen des Präsidentenmandats darstellen, da dieser verpflichtet ist, der Garant für die Achtung der Demokratie und ihrer Organisationsregeln in Frankreich zu sein.

Das Verfahren, um eine solche Amtsenthebung auszusprechen, ist einfach. Es muss ein Vorschlag gemacht und zuerst dem Büro der Nationalversammlung vorgelegt werden. Heute hat die Nouveau Front Populaire dort die Mehrheit. Das Büro der Nationalversammlung könnte den Vorschlag also durchaus annehmen, bevor es ihn an den Rechtsausschuss weiterleitet, in dem die Anhänger des Präsidenten in der Minderheit sind. Dann müsste der Text auf die Tagesordnung der Versammlung selbst gesetzt und allen Abgeordneten zur Abstimmung vorgelegt werden. Jeder würde dann seine Verantwortung übernehmen. Es ist wahrscheinlich, dass der Antrag angenommen würde, da die Anhänger des Präsidenten in der Minderheit sind.

Dieser Vorschlag würde ein Signal des demokratischen Widerstands erster Güte aussenden. Er würde zeigen, dass der Präsident der Republik in Frankreich kein Monarch ist, der über ein aufschiebendes Vetorecht gegen das Ergebnis einer demokratischen Abstimmung verfügt. Er würde daran erinnern, dass der einzige Souverän in der Republik das Volk ist. Seine Souveränität steht über der aller Organe, die sie gewöhnlich zum Ausdruck bringen sollen: der Präsident, die aktuellen Abgeordneten und so weiter. Dieses Recht war Ludwig XVI. bereits 1789 vor der Gründung der Republik verweigert worden. Wie sollte es Macron im Jahr 2024 gewährt werden? Warum sollte man eine Verweigerung der Souveränität des Volkes zulassen, wenn es ein legales und friedliches Mittel gibt, sie zu verhindern?

Wenn dieses Aktionsmittel gegen Macrons Putsch eingesetzt werden sollte, müsste man es natürlich sorgfältig vor unserem Volk erklären und seinen Einsatz methodisch organisieren. Es versteht sich von selbst, dass dies eine wichtige und schwerwiegende Entscheidung ist. Idealerweise sollte sie von einem soliden Verfahren und einer möglichst kollektiven Basis profitieren. Daher sind wir der Meinung, dass es an den Vorsitzenden unserer Koalitionsparteien und den Präsidien unserer Fraktionen liegt, darüber zu diskutieren und ihre jeweilige Entscheidung zu treffen.

Wir geben dieser Tribüne eine konkrete Rolle als feierliche Warnung. Der Präsident muss das Ergebnis der Parlamentswahlen anerkennen und Lucie Castets, wie von der Nouveau Front Populaire vorgeschlagen, zur Premierministerin ernennen. Wenn er dies nicht tut, muss er wissen, dass er alle verfassungsmäßigen Mittel einsetzen wird, um ihn zu entlassen, anstatt uns seinem bösen Streich gegen die Grundregel der Demokratie zu unterwerfen: In Frankreich ist der einzige Herrscher das Votum des Volkes!

Unterzeichner:

Mathilde Panot, Vorsitzende der Fraktion LFI-NFP in der Nationalversammlung

Manuel Bompard, Koordinator der Bewegung La France insoumise

Nadège Abomangoli, Vizepräsidentin der Nationalversammlung

Manon Aubry, Ko-Vorsitzende der Fraktion The Left im Europäischen Parlament

Eric Coquerel, Vorsitzender des Finanzausschusses der Nationalversammlung

Clémence Guette, erste Vizepräsidentin der Nationalversammlung, Ko-Vorsitzende des

Instituts la Boétie

Marina Mesure, Vorsitzende der insoumise-Delegation im Europäischen Parlament

Jean-Luc Mélenchon, Begründer der France Insoumise, Ko-Vorsitzender des Instituts La Boétie

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